Dezentrale Hegemonie US-Dollar vs. Renminbi: Warum staatliche Leitwährungen überholt sind

US-Dollar, Renminbi oder Bitcoin: Was ist die Leitwährung der Zukunft? Die Antwort könnte lauten: weder noch. Warum der technologische Wandel unsere bisherige Logik von Geld infrage stellt und wie ein mögliches Szenario aussehen kann. Ein Gedankenexperiment.

Sven Wagenknecht
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US-Dollar, Renminbi und Bitcoin

Beitragsbild: Shutterstock

| US-Dollar, Renminbi oder Bitcoin: Braucht es in Zukunft überhaupt noch Leitwährungen?

Für manch Wirtschaftsexperten mag die Zukunft des US-Dollars bereits besiegelt sein. Immer öfter liest man von der De-Dollarisierung und dem Aufstieg der BRICS-Staaten, die sich gegen den Westen und insbesondere die USA verbünden. Die populären Analysen von Hedgefonds-Manager Ray Dalio leisten ebenfalls ihren Beitrag dazu, dass immer mehr Menschen China als neue Weltmacht sehen.

In der Annahme des chinesischen Aufstiegs und des vermeintlichen amerikanischen Niederganges mag man schnell zu der Schlussfolgerung gelangen, dass der chinesische Renminbi oder ein Währungskorb der BRICS-Staaten den US-Dollar in Zukunft ablösen könnten. Warum es an der Ablösung des US-Dollars und dem Niedergang der USA Zweifel gibt, wurde jedoch bereits in einem vorherigen Artikel näher beschrieben.

Ohne Vertrauen, keine Leitwährung

Sofern man von der Option einer zwanghaften Etablierung absieht – das wäre der Fall, wenn eine Nation durch militärische Dominanz andere Länder dazu zwingen kann, ihre Währung zu nutzen – braucht es Vertrauen. Aktuell ist es allerdings in keinster Weise abzusehen, dass es den BRICS-Staaten in den nächsten Jahrzehnten gelingen kann, ausreichend globales Vertrauen in ihre Währungen aufzubauen.

Weder die USA noch die Eurozone werden größere Währungsreserven in Renminbi oder einem Währungskorb der BRICS-Staaten aufbauen und sich dadurch verletzlich und erpressbar machen. Was mit den russischen US-Dollarwährungsreserven passiert ist, könnte schließlich genauso gut auch mit amerikanischen Renminbi-Reserven passieren. Die USA haben mit dem Einfrieren der russischen US-Dollar-Reserven nicht nur dem US-Dollar, sondern allen Fiatwährungen geschadet.

Wie der US-Dollar allen Fiatwährungen schadet

Vollkommen losgelöst von Inflationsdebatten hat das Konstrukt Fiatwährung allgemein jüngst massive Risse erlitten. Eine verdrängte Schwachstelle von staatlichem Geld im Kontext der Realpolitik ist allen Staaten, insbesondere Russland, auf dieser Welt schmerzlich bewusst geworden. Der Westen hat ein Ass gespielt, das nun – zumindest aus westlicher Sicht – verbrannt ist. Die Gold-Käufe von Notenbanken in Rekordhöhe unterstreichen ebenjenen Vertrauensverlust.

Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass es in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren eine staatliche Währung geben wird, die den Platz vom US-Dollar einnehmen kann. Vielmehr ist mit einer regionalen Zersplitterung zu rechnen, wie wir sie bereits beobachten können. Anstatt standardmäßig in US-Dollar abzuwickeln, wird sich je nach Region auf unterschiedliche Fiatwährungen geeinigt.

Was ist in 20 Jahren?

Eine andere und noch gewagtere These lautet, dass es in Zukunft gar nicht mehr um die Frage geht, welche Nation die Leitwährung stellt. Unter der Annahme, dass es nicht den einen allmächtigen Hegemon gibt, spricht die technologisch-politische Entwicklung dafür, dass sich das Wesen unseres Geldes grundlegend ändern wird. Das heißt nicht per se, dass es kein staatliches Geld mehr in Zukunft geben wird, sondern nur, dass unser zukünftiges Fiatgeld eine andere Rolle spielen wird.

Zu dieser Ansicht kann man gelangen, wenn man der These des amerikanischen Politikwissenschaftlers Ian Bremmer folgt, dass es in Zukunft keine staatlich dominierte Weltordnung mehr geben wird, sondern eine, die auf Technologie aufbaut. So erklärt er in seinem TED Talk, dass die Kontrolle über die Bevölkerung mehr denn je in der Hand von Technologiekonzernen liegt. So sind es vor allem Big-Tech-Unternehmen wie Google, Meta oder Amazon, die durch ihre Daten und Netzwerkinfrastruktur, politische Kontrolle über die Gesellschaft ausüben können.

Technologie statt Staat: Was heißt das für unser Geld?

Geht man nun einen Schritt weiter und unterstellt, dass dezentrale Netzwerke zentralen Organisationsformen überlegen sind, landet man schnell bei einer Weltordnung, die sich als dezentrales Netzwerk begreift. Der Vormarsch von Open Source, insbesondere im KI-Bereich, würde Ländergrenzen schlichtweg übergehen. Die digitale Globalisierung würde die staatliche Kontrolle begrenzen. Die neue Netzwerkebene würde sich wie eine zweite Schicht über die bestehenden Infrastrukturen und staatlichen Institutionen drüberlegen.

Für ebenjene Ökonomie würde staatliches Geld allerdings nur noch eingeschränkt Sinn ergeben. Warum staatliches Geld, wenn die Infrastrukturen nicht mehr staatlich kontrolliert werden können? Sei es durch Zentralbanken, SWIFT, Aufsichtsbehörden oder Institutionen wie die Weltbank oder BIS.

Ether statt Euro: Zahlungsflüsse in einer DAO

Ein Beispiel hierfür wären Geldflüsse, die durch DAOs zirkulieren und keine regionale Entität besitzen, die in einer bestimmten Jurisdiktion haftbar gemacht werden kann. Unter der Annahme, dass es nicht zur Sanktionierung auf der regionalen Individualebene kommt, kann das der Staat nicht, wie mit bisherigen Mitteln, zu seinem Vorteil steuern.

Als Folge dessen würde sich neben den staatlich kontrollierten Wertschöpfungsbereichen eine nicht-staatliche, digitale Wertschöpfungsebene etablieren. Beide Welten könnten dabei durchaus parallel zueinander existieren, auch wenn die Kontrollausübung und Durchsetzung von staatlichen Gesetzen nur in der “alten” Welt stattfinden kann.

Koexistenz von Fiatwährungen und Bitcoin

In der Praxis würde das bedeuten, dass wir in Deutschland nach wie vor in Euro unsere Steuern zahlen, gleichzeitig aber ein Arbeitseinkommen in Bitcoin oder Ether durch beispielsweise Freelancer-Tätigkeiten in einer DAOs erzielen. Qua gesetzlichen Offenlegungspflichten könnte sich der Staat nach wie vor Zugang zu unserem digitalen Vermögen beschaffen, im Zweifel mit Gewalt. Er könnte allerdings keinen effektiven Einfluss mehr auf die dezentralen Netzwerke selbst nehmen.

Nicht-staatliches Geld, also in erster Linie Bitcoin, wäre damit vom Design her besser geeignet als staatliches Geld. Eine neutrale Währung, die nicht an Staaten und Landesgrenzen gebunden ist, könnte deutlich schneller an Akzeptanz gewinnen als eine Fiatwährung, die außerhalb der nationalstaatlichen Einflusssphäre liegt.

Zumal offene Standards im Widerspruch zu staatlichen Geldinfrastrukturen stehen. Unsere aktuellen Geldinfrastrukturen, technisch wie politisch, würden einen Flaschenhals und ein Interoperabilitätshemmnis für eine Ökonomie darstellen, die auf Open Source und DeFi-Protokollen aufsetzt.

Fazit zu US-Dollar, Bitcoin und Co.

Entgegen der aktuell populären Meinung, dass der US-Dollar in den kommenden Jahren als Leitwährung abgelöst wird, ist eher mit einem stetigen Dominanz-Verlust zu rechnen. Dass es die eine Fiatwährung gibt, die die US-Dollar-Dominanz ersetzt, ist aktuell nicht abzusehen. Vielmehr dürfte sich eine stärkere regionale Fragmentierung durchsetzen. Parallel dazu könnten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dezentrale Netzwerke immer weiter anwachsen und Geld im Sinne von Fiatwährungssubstituten etablieren. Es wäre naiv anzunehmen, dass unser Geldsystem für immer so bleiben wird, wie es aktuell ist.

Wir stehen einer exponentiellen technologischen Entwicklung gegenüber, gegen die sich kein Staat der Welt stemmen kann. Es ist unmöglich, vorherzusagen, wie genau diese Entwicklung aussehen wird. Gerade deshalb ist es wichtig, verschiedene Szenarien in Betracht zu ziehen. Ein solches Szenario beinhaltet eine mögliche neue Rolle für Geld und Geldinfrastrukturen.

Könnte Bitcoin folglich zu einer weltweiten Leitwährung werden? Gemäß dem obigen Gedankenexperiment durchaus möglich. Allerdings würde Bitcoin Fiatwährungen nicht vollständig verdrängen, sondern sie lediglich auf der nicht-staatlich kontrollierten Wertschöpfungsebene ersetzen. Fiatwährungen würden weiterhin existieren, da Menschen nach wie vor in staatlich kontrollierten Regionen leben und somit dem Einfluss und der Kontrollausübung des Staates ausgesetzt sind.

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