Non-fungible Token Sind NFTs purer Hype oder steckt mehr dahinter?

In seinem Gastbeitrag widmet sich Professor Ingo Fiedler, Mitgründer des Blockchain Research Labs, NFTs – den digitalen Unikaten.

Prof. Dr. Ingo Fiedler
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NFTs auf dem Smartphone

Beitragsbild: Shutterstock

Container sind ein denkbar einfaches Konzept und haben doch den physischen Welthandel revolutioniert. Durch die Standardisierung von Größe und die Möglichkeit, fast alle Waren hineinzulegen, wurden die weltumspannenden Logistikketten stark optimiert. Blockchainbasierte Token sind ähnlich: Sie erlauben die digitale Abbildung von physischen und digitalen Gütern sowie eine standardisierte Form des digitalen Versands – sowohl mit als auch ohne Intermediär.

Die Versprechungen sind also groß, doch wirklich revolutioniert wurde der digitale Handel durch Blockchain-Technologie und Token jedoch noch nicht. Fehlte es bislang nur an dem richtigen Anwendungsfall? Und könnten Non-fungible Token (NFT) dieser Anwendungsfall sein, oder handelt es sich nur um einen bald wieder verblassenden Hype?

Was sind NFTs?

Die meisten blockchainbasierten Token sind bislang fungibel, das heißt untereinander austauschbar. Zum Beispiel ist ein Bitcoin oder ein Stablecoin mit einem anderen 1:1 austauschbar. Nicht fungible Token repräsentieren hingegen nicht austauschbare physische oder digitale Objekte, wie zum Beispiel ein Gemälde oder auch nur ein bestimmtes Pixel eines digitalen Kunstwerkes. Diese Token besitzen einen Wert aufgrund ihrer Einzigartigkeit, der über den reinen Materialwert hinausgeht. Bezogen auf die analoge Welt, würde es sich hierbei beispielsweise um Werke mit künstlerischer oder historischer Bedeutung oder Sammelkarten handeln. 

In der digitalen Welt hingegen waren und sind der Handel sowie die Versteigerung solcher Güter nur eingeschränkt möglich, da Kopien von digitalen Objekten nicht wirksam ausgeschlossen werden konnten. Hier wirkt die Blockchain-Technologie als eine Art Kopierschutz: Zwar können Kopien von NFTs entstehen, jedoch sind diese dann – ähnlich einem Nachdruck von der Mona Lisa – von dem Original unterscheidbar. NFTs sind also Token, die ein einzigartiges digitales oder auch physisches Objekt repräsentieren bzw., um im Bild des Containers zu bleiben, beinhalten und digital versendet werden können.

Neue Märkte rund um NFTs

Märkte für NFTs haben ein exponentielles Wachstum erfahren. Dabei handelt es sich vor allem um digitale Kunst, Sammelobjekten, Musikrechte, In-Game-Items und Metaversen. Besondere mediale Aufmerksamkeit erlangten der Künstler Beeple, der im Rahmen einer Versteigerung beim Auktionshaus Christies ein digitales Kunstwerk für umgerechnet 69,3 Millionen Dollar verkaufte (Christie’s 2021) sowie Twitter CEO Jack Dorsey, der den NFT des ersten Tweets aller Zeiten (“just setting up my twttr”) für 2,9 Millionen Dollar versteigerte (Valuables 2021). Auch Sportgrößen wie NFL Quarterback Patrick Mahomes oder UFC Champion Khabib Nurmagomedov verkaufen NFT-Kollektionen und Fußballvereine wie der FC Bayern München oder Paris Saint-Germain beteiligen sich an digitalen “NFT-Sammelkarten”. In einer neueren Entwicklung spielen NFTs als digitales Eigentum in einem Metaverse eine besondere Rolle. Hier sind vor allem die Projekte Decentraland und Sandbox zu nennen.

Gegenwärtig liegen digitale Eigentumsrechte (noch) bei Plattformen und deren Betreibern. Perspektivisch können NFTs diese Eigentumsrechte von der Plattform zu den Urhebern verlagern, was einen entsprechenden Paradigmenwechsel zur Folge haben kann. Infolge der Ermöglichung des Handels nachgefragter Güter und deren anschließender Monetarisierung, kann der Markt für die Schöpfung digitaler Güter transformiert werden. Damit werden Märkte zum Vertrieb digitaler Güter geschaffen, welche neue Vertriebswege für Künstlern und Kreativen darstellen und damit neue Möglichkeit in der von der Coronapandemie stark betroffenen Branche eröffnen. 

Neben Primärmärkten werden auch Sekundärmärkte möglich, die es den Erwerbern von NFTs ermöglicht, die (digitalen) Objekte wieder zu veräußern. Dies ist insbesondere für Investoren, aber auch Spekulanten interessant. Die Bedeutung von Spekulation für den Markt für NFTs lässt sich erahnen, wenn man das tägliche Verkaufsvolumen näher betrachtet (siehe Grafik). Dieses wird aufgrund des stark exponentiellen Wachstums logarithmisch dargestellt. Der klein wirkende Anstieg am Ende der Zeitreihe stellt ein Wachstum von 86,7 Mio. USD zu 780,4 Mio. USD dar – dies war der Verkauf von digitalem Land im Metaverse des Bored Apes Yacht Clubs (BAYC). 

Vergleicht man hiermit die Anzahl aktiver NFT Wallets, so zeigt sich auch hier ein stark exponentielles Wachstum, allerdings mit zwei Unterschieden zum Verkaufsvolumen: (1) Die täglichen Werte sind weniger volatil und 2) zeigte sich in den vergangenen Monaten eine deutliche Abflachung der aktiven Wallets, die selbst von dem Landsale von BAYC nicht kompensiert werden konnte.

Herausforderungen: Spekulation, Geldwäsche, Betrug

Trotz des hohen Innovationspotentials von NFTs verwundert das rasante Marktwachstum und es liegt schnell die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um eine Spekulationsblase handeln könnte. Ein anderer Grund für das exorbitante Wachstum könnte aber auch Geldwäsche sein. Beispielsweise könnte die organisierte Kriminalität durch illegale Geschäfte erworbenen Kryptowerte dadurch “reinwaschen”, dass sie als anonymer Erwerber auftreten, um einen von ihnen selbst erstellten NFT zu kaufen. Damit fließen die Einnahmen aus dem Verkauf in den legalen Wirtschaftskreislauf – und als Nebeneffekt werden die Märkte für NFTs künstlich aufgebläht. 

Eine andere Herausforderung rund um NFTs ist Betrug bei dem Nachweis der Einzigartigkeit des Objektes oder der Eigentumsrechte an exakt diesem Objekt. Zwar können Token auf der Blockchain lückenlos nachverfolgt werden und ein Missbrauch innerhalb des Blockchainsystems ausgeschlossen werden, doch gilt dies nicht für die Ersteller von NFTs oder bei Repräsentationen von physischen Objekten von jenen, die die Gegenstände verwahren. Diese müssen glaubhaft versichern, dass der entsprechende Gegenstand tatsächlich in der angegebenen Form existiert. Hier besteht also die Notwendigkeit von Vertrauen und damit potenziell auch die Möglichkeit von Betrug an diesem Vertrauen.

Ausblick

Obgleich das schnelle Wachstum des NFT-Marktes eine Blase vermuten lässt, bieten NFTs ein hohes Innovationspotenzial. Zum einen können sie dabei unterstützen, bestehende Märkte, zum Beispiel für Kunst, zu digitalisieren. Das noch größere Potenzial steckt allerdings in der Schaffung neuer Märkte für digitale Objekte, die bislang aufgrund der fehlenden Möglichkeit zur Sicherstellung von Einzigartigkeit oder zumindest Rarität sich nur begrenzt entwickeln konnten. 

Neben einem Echtheitszertifikat können NFTs SchöpferInnen anteilig an zukünftigen Verkaufserlösen beteiligen, Stimmrechte enthalten oder in Bruchstücke unterteilt werden, die wiederum für sich gehandelt werden können. So wäre es beispielsweise denkbar, dass AnlegerInnen Kleinstmengen eines (digitalen) Kunstwerks erwerben und Museen, Ausstellungen oder Vereine sich hierüber finanzieren. 

Die gegenwärtigen Herausforderungen von NFTs werden voraussichtlich Schritt für Schritt mit der Marktreife gelöst werden. So ließe sich zum Beispiel das Betrugspotential dadurch verringern, dass neben dem Objekt selbst auch der Entstehungsprozess als Nachweis tokenisiert wird. 

Aktuell hängt der Markt für NFTs jedoch noch stark am Rockzipfel der Kryptomärkte. So konnte das Blockchain Research Lab zeigen, dass NFT-Verkäufe positiv mit der Entwicklung des Bitcoinpreises zusammenhängen, während ein steigender Preis von Ethereum sich negativ auf die Anzahl an aktiven NFT-Wallets auswirkt (Ante, 2021). Letzteres liegt vermutlich in den zum Teil exorbitanten Transaktionskosten des Ethereumnetzwerkes begründet. 

In Summe lässt sich jedoch festhalten, dass sich NFTs zu einer neuen Assetklasse herausbilden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass diese enorm heterogen sein wird und es sinnvoll ist, zwischen NFT-Arten zu unterscheiden.

Über den Author

Prof. Dr. Ingo Fiedler hat an der Universität Hamburg BWL und VWL studiert und promoviert. Er ist Affiliate Professor an der Concordia University, Montréal, und Mitbegründer des gemeinnützigen außeruniversitären Forschungsinstituts Blockchain Research Lab in Hamburg. Dort erforscht er mit seinen KollegInnen die gesamtgesellschaftlichen Potenziale und Risiken der Blockchain-Technologie, mit einem Fokus auf Kryptowährungen. Prof. Fiedler ist Autor von neun Büchern und über 50 wissenschaftlichen Fachartikeln. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Börse Stuttgart und seine Expertise wird regelmäßig von nationalen und internationalen Medien und politischen Institutionen angefragt.