Der deutsche Serienunternehmer Dr. Kai Wawrzinek ist Mitgründer und CEO der Impossible Cloud GmbH, einem führenden Anbieter von dezentralen Cloud-Speicherlösungen. Für ihn ist klar, dass die vorherrschenden Angebote von Amazon, Microsoft und Co. langfristig keine zufriedenstellende Lösung darstellen. Zu groß sind die Gefahren, die mit dieser Machtkonzentration bei US-amerikanischen Tech-Riesen einhergehen. Im Gespräch mit BTC-ECHO erklärt er, wie eine dezentralere Zukunft der Cloud durch innovative Technologien erreicht werden kann. Außerdem: Wie Privatnutzer und Unternehmen ihre Daten sicher speichern und vor ungewünschtem Zugriff schützen.
BTC-ECHO: Ihr habt kürzlich mit dem Impossible Cloud Network ein neues Projekt gelauncht. Worum geht es dabei?
Dr. Kai Wawrzinek: Impossible Cloud hat erreicht, woran andere Web3-Projekte gescheitert sind. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach unserem Cloud-Storage von echten Business-Kunden, und gleichzeitig nutzten wir Infrastruktur aus unserem DePIN-Hardware-Netzwerk. Impossible Cloud Network ist der nächste Schritt, mit dem Ziel eine dezentrale Alternative zu den von Big Tech dominierten Cloud-Angeboten aufzubauen, und zwar für viele Services, von Storage über Compute bis zu GPUs. Eine dezentrale Cloud, mit der wir weltweit Cloud Services auf Enterprise-Niveau anbieten und für entsprechende Business-Kunden verfügbar machen. Ausfallsicherheit und Kosteneffizienz sind dabei wichtige Faktoren, aber auch Skalierbarkeit und Datensicherheit. Eine Disruption der Cloud ist überfällig und unser dezentraler Ansatz wird die Cloud-Landschaft insgesamt deutlich bereichern.
Wie genau kann man sich das technisch vorstellen?
Das Impossible Cloud Network (ICN) wird eine Multi-Service-Plattform, die darauf ausgelegt ist, verbundene Hardware zu verwalten und zu orchestrieren. ICN präsentiert sich als einheitliches Cloud-Ökosystem, das On-Demand-Infrastruktur für hochwertige Dienste bereitstellt. Wie schon mit unserem Storage Ansatz ist es nicht unser Ziel, selbst die gesamte Infrastruktur zu betreiben. Stattdessen arbeiten wir weltweit mit Tier-2 und Tier-3 konformen Rechenzentren und unabhängigen Hardware-Anbietern zusammen, die unseren hohen Anforderungen sowie alle gängigen Compliance-Standards erfüllen. Diese Hardware-Anbieter machen Ihre Infrastruktur im Netzwerk verfügbar.
Impossible Cloud Network ist dann die Cloud-Plattform, auf der Service Provider – sowohl traditionelle als auch DePIN-Cloud-Projekte – diese Infrastruktur nutzen und in Dienstleistungen für Endkunden verwandeln. Die daraus entstandenen Cloud-Services können dann von normalen Enterprise-Kunden sowie DePIN-Projekten weltweit genutzt werden. Das Netzwerk selbst beinhaltet ein Protokoll, also eine Art ‘Sammlung von Regeln’, die die Expansion des Netzwerks je nach Nachfrage steuern. Je nachdem, wo und wann erhöhte Nachfrage entsteht, werden die Anreize attraktiver, neue Hardware in das Netzwerk einzubinden. Letztlich wird es noch eine Oracle-Komponente geben, die die Einhaltung von Performance- und Service-Metriken überwacht – das stellt hohe Qualitätsstandards sicher und wird entsprechend für mehr Transparenz und Vertrauen sorgen – dazu später dieses Jahr mehr.
Obwohl andere DePIN-Projekte dezentralisierte Hardware-Netzwerke geschaffen haben, ist ICN in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Erstens abstrahiert ICN die Cloud-Hardware-Ebene und unterstützt so eine Vielzahl von Anwendungsfällen. Im Gegensatz zu anderen DePIN-Projekten ist ICN nicht für einen speziellen Anwendungsfall konzipiert, sondern für mehrere Dienste. Zweitens wird die Qualität der Cloud-Dienste innerhalb von ICN durch unser Protokoll und dedizierte Oracle-Nodes garantiert, was die Masseneinführung und den weltweiten Übergang zu einer offenen Cloud beschleunigt. Drittens beinhaltet das Protokoll innerhalb von ICN nachfragebasierte Anreizmechanismen für die Netzwerkerweiterung, um ein optimales Niveau der Ressourcennutzung und -beteiligung aufrechtzuerhalten.
Wenn ich als Privatnutzer auf einen Cloud-Dienst zurückgreife, dann ist es meist ein Angebot wie Microsoft OneDrive oder Google Drive. Was ist der Unterschied zu eurer dezentralen Cloud?
Zunächst mal kannst du unseren Cloud-Speicher ebenfalls als Privatnutzer nutzen. Weil unsere Schnittstellen und Nutzeroberfläche aber hauptsächlich auf Firmenkunden abgestimmt sind, brauchst du noch ein S3-kompatibles Endkundenprogramm, für Backups also z. B. die Software unserer Partner Veaam, Acronis, Comet, usw.
Bei uns werden die Daten dann dezentral abgespeichert, d. h. in unserem Netzwerk aus angeschlossenen Datenzentren. Der Vorteil der Dezentralität liegt in der viel größeren Skalierbarkeit und du, als Endkunde, hast eine größere Ausfallsicherheit, weil es keinen Single-Point-of-Failure gibt.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Datensicherheit. Der US-amerikanische CLOUD Act schreibt vor, dass US-Unternehmen Daten mit Behörden teilen müssen, auch wenn die Rechenzentren im Ausland stehen. Selbst wenn ein Rechenzentrum eines US-Konzerns also in Deutschland steht und die Weitergabe von Daten gegen die DSGVO verstößt, müssen die Daten auf Anfrage der US-Behörden herausgegeben werden. Dies betrifft alle großen US-Cloud-Anbieter und stellt langfristig keine zufriedenstellende Lösung dar.
Warum ist Zentralisierung ein Problem?
Neben den Nachteilen bei der Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit bringen zentralisierte Plattformen auch immer eine ausgeprägte Machtkonzentration. Ein Beispiel: Als Trump US-Präsident war, also möglicherweise der mächtigste Mann der Welt, konnten trotzdem, an einem Sonntagabend, eine Handvoll Leute einfach entscheiden, ihn bei Twitter offline zu nehmen. Egal ob das inhaltlich richtig war oder nicht, man muss sich die Frage stellen, ob eine solche Machtkonzentration eine erstrebenswerte Zukunft ist. Bei den Cloud-Firmen ist es schon jetzt so, dass über 65 Prozent der gesamten Cloud-Infrastruktur von drei, vier Firmen bestimmt wird – und entsprechend auch lahmlegt werden kann. Wir halten es für sinnvoller, dass solche Netzwerke gemeinsam und verteilt erstellt werden. In Zukunft soll es eine offene Cloud geben: z.B. das Ökosystem, das wir innerhalb von Impossible Cloud Network erstellen.
Wen versucht ihr mit dieser Lösung zu erreichen?
Auf der Endkundenseite fokussieren wir uns klar auf Unternehmen, ob das nun Small- und Medium Enterprises sind oder größere Konzerne. Diese haben die höchsten Anforderungen und sind der größte Markt. Wir kooperieren weltweit bereits mit vielen Web2-Unternehmen, die Enterprise-Software anbieten, Milliardenumsätze machen und unseren Service integriert haben. Diese Partnerschaften sind entscheidend, um diese Kunden adressieren zu können. Unser Kernziel ist es, ein hohes Level an Service zu bieten. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Web2-Welt ist der friktionsfreie Zugang. Wir nennen das intern immer “One Line of Code”. Geografisch fokussieren wir uns auf die EU, haben aber auch schon einige US-Kunden.
Wir sind mit Object Storage gestartet, einem fundamentalen Service, den man zunächst bereitstellen muss. Sobald wir die Daten der Kunden betreuen, können wir darauf aufbauend weitere Services anbieten, wie Analysen, Analytics, GPU- und CPU-Computing sowie KI-Services. Beim Impossible Cloud Network wollen wir diese Plattform auch für andere Teilnehmer öffnen, die weitere Services anbieten. Perspektivisch soll es ein holistisches Cloud-Angebot geben.
Unsere erweiterte Community spielt dabei eine entscheidende Rolle. Hardware-Anbieter stellen Enterprise-Hardware und die ICN-Software bereit und erhalten dafür Token und Stablecoins, wobei ausgelastete Kapazitäten höher belohnt werden, was Qualität und Leistung fördert. Netzwerkvalidatoren betreiben Oracle-Knoten, um sicherzustellen, dass die Hardware den erforderlichen Spezifikationen und Leistungsstandards entspricht, und werden für ihre Arbeit belohnt. Dienstleister liefern innovative Cloud-Services auf der ICN-Plattform, die sowohl traditionelle IT-Dienstleistungsunternehmen als auch DePIN-Node-Betreiber bedienen, die mit ICN zusammenarbeiten. Partner-DePIN-Projekte sind dezentrale Infrastrukturnetzwerke, die mit ICN zusammenarbeiten, um hochwertige, physisch diverse und geografisch verteilte Infrastrukturen für ihre Projekte zu nutzen. Darüber hinaus bilden Entwickler, Token-Inhaber, Governance-Mitglieder und Unterstützer die aktive und lebendige Community, die die Cloud-Industrie transformiert.
Was sind die wichtigsten Gründe, aus denen Unternehmen sich dazu entscheiden, zu eurem dezentralen Angebot zu wechseln?
Es gibt viele Themen, warum Unternehmen zu uns wechseln wollen. Eines ist der Bereich Skalierbarkeit, weil heute unfassbar viele Daten neu generiert werden. Allein in den letzten zwei Jahren wurden mehr Daten generiert als in der gesamten Menschheitsgeschichte davor. Es geht also auch um die Zukunftssicherheit: Wie skaliere ich weiter? Kosten sind ebenso ein Punkt oder die Überlegung, ein Backup zu haben. Auch Datensouveränität ist wichtig und kommt immer mehr in das Bewusstsein der Leute. Außerdem explodiert der Wert der Daten gerade durch KI: Früher hätte man beispielsweise die Protokolldaten von Maschinen in der Fertigung nach kurzer Zeit gelöscht. Heute können diese Daten genutzt werden, um KI-Modelle zu trainieren, die die Maschinenleistung überwachen und vorhersagen, wann Wartung notwendig ist, was den Wert der Daten erheblich steigert – zumal die Kosten für Speicher in der Tendenz sinken.
Der Single Point of Failure ist eine weitere bedeutende Überlegung, denn es gibt immer wieder große Ausfälle bei Rechenzentren, weshalb Unternehmen an einer verteilten Speicherung von Daten interessiert sind. Zudem ist es ineffizient, Daten von ihrem Entstehungsort zu zentralen Rechenzentren zu verschieben, um sie dort zu verarbeiten. Dezentrale Netzwerke ermöglichen es, Daten dort zu speichern und zu verarbeiten, wo sie entstehen. Dieses Konzept der “Daten-Schwerkraft” sorgt dafür, dass der Code zu den Daten gebracht wird, und nicht umgekehrt. Das senkt die Latenzzeiten, wodurch die Datenverarbeitung effizienter und zuverlässiger wird.
Um welche Datenmengen geht es bei euch?
In unser System werden jeden Tag 20 – 50 Millionen Dateien hochgeladen. Und wir haben schon die Größenordnung von Enterprise-Kunden erreicht, zum Beispiel einen Bundesliga-Club, der Videodateien bei uns speichert. Und wir haben viele Distributoren, viele Reseller, viele große Web2-Unternehmen, und eine wachsende Liste von DePIN-Partnerprojekten, die involviert sind.
Ihr wollt auch einen ICN-Token launchen. Was genau hat es damit auf sich?
Das wird ein Utility Token, mit dem man das System, insbesondere innerhalb von Impossible Cloud Network, nutzen kann. Wichtig ist dabei, dass wir die gesamten Hardware-Ressourcen, die in das System reinkommen, aber auch weitere Services, die zukünftig im System angeboten werden, über Token programmatisch zur Verfügung stellen können. Dadurch ergibt sich das Ökosystem. End-Kunden werden aber immer ganz normal in Fiatwährungen zahlen. Der Token hilft extrem stark dabei, dieses dezentrale Netzwerk wachsen zu lassen. Er incentiviert dazu, gemeinsam dieses System aufzubauen, was aus meiner Sicht die Stärke der ganzen Web3-Ökonomie ist.
Glaubst du, dass der dezentrale Ansatz von Impossible Cloud in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren zum Standard werden wird?
Letztlich geht es um alle Funktionalitäten von Computation, Speicherung und Netzwerk. Und da wird es der maßgebliche Teil werden. Es gibt ein paar Use Cases, wo ein zentraler Ansatz kosteneffizienter ist, aber meist ist der dezentrale Ansatz die skalierungsfähigere und performantere Option, weil du parallel viele Ressourcen an einer Thematik arbeiten lassen kannst. Das Impossible Cloud Network wird ein offenes Netzwerk, woran viele mitarbeiten, Hardware zur Verfügung stellen und einen kompetitiven Service der Zukunft aufbauen, der gemeinsam geleitet und gemanagt wird. Das ist das Ziel, was mich antreibt.